Der Blindenführhund - ein "Hilfsmittel" mit Seele
Schon vor ca. 12.000 Jahren hat der Mensch begonnen, aus dem Wildtier Wolf das Haustier Hund züchten. Sein ausgeprägtes Sozialverhalten, sein Lernvermögen und seine oft freudige Arbeitsbereitschaft in engem Kontakt zu seiner Bezugsperson machen ihn nicht nur zu einem besonders beliebten Haustier, sondern prädestinieren ihn auch für spezielle Aufgaben, wie z. B. für die des Führhundes.
Zwischen blinden Menschen und ihrem Hund bestand schon im Altertum ein enges Verhältnis. Ebenso lesen wir in einer Biographie des heiligen Franziskus aus dem 13.Jahrhundert von einem Blinden, der sich von "einem Hündlein führen ließ". Und auch später wird immer wieder berichtet, dass Hunde von ihren blinden Besitzern zu ganz erstaunlichen Leistungen abgerichtet wurden. Aber erst nach dem ersten Weltkrieg werden sie - damals vor allem deutsche Schäferhunde - systematisch in Führhundschulen ausgebildet.
Ein gut ausgebildeter Blindenführhund ist in der Lage, nach entsprechender Einarbeitung mit seinem Halter alle gewünschten Wege zu gehen und sicher ans Ziel zu gelangen. Die dazu notwendigen Anweisungen, wie Richtungsänderungen, Straßenüberquerungen, das Aufsuchen von Treppen oder Türen und das Ein - und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel erhält das Tier von seinem Besitzer. Dies setzt voraus, dass auch der Blinde den Weg kennen muss. Bei häufiger angelaufenen Zielen genügt allerdings manchmal schon ein entsprechender Hinweis.
Zur Ausbildung dürfen nur gesunde, wesensfeste, lernfreudige, gutmütige, gleichzeitig aber auch selbstbewusste Hunde kommen, die mindestens ein Jahr alt sind. Danach werden sie in einer Führhundschule in etwa 6 Monaten 300 Ausbildungsstunden hinter sich bringen. Der Ausbilder sollte nichts tun, was den Hund ängstlich oder agressiv macht: Erwünschtes Verhalten wird durch Lob verstärkt, unerwünschtes durch Tadel unterdrückt. Der Hund lernt, vor Stufen und Bordsteinkanten stehen zu bleiben, Hindernisse - auch solche, die ihn selbst nicht beeinträchtigen würden - und Gefahrenstellen zu umgehen, Zebrastreifen zu erkennen, Türen und Sitzgelegenheiten anzuzeigen.
Blindenführhunde werden von der Krankenkasse finanziert, wenn eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit einer Versorgung mit dem "Hilfsmittel" Führhund vorliegt und der Kostenvoranschlag der ausgewählten Führhundschule genehmigt wird. Ein gutausgebildeter Führhund kostet heute bis zu 20.000 €.
Leider gibt es in Deutschland immer noch keine allgemeingültigen Zulassungsverfahren für Blindenführhundschulen. Deshalb entspricht bedauerlicherweise nicht jeder ausgebildete Führhund den notwendigen Anforderungen an Zuverlässigkeit und gutem Benehmen. Immerhin haben Führhunde wesentlich mehr Rechte als ihre "gewöhnlichen" Artgenossen: Sie dürfen in alle öffentlichen Gebäude, in Restaurants und Lebensmittelgeschäfte; sie können zu kulturellen Veranstaltungen, in die Kirche, und auf Flugreisen in die Passagierkabine mitgenommen werden.
Rotraut Teusch
Dieser Artikel stammt aus der Broschüre "Sehen Sehbehinderung Blindheit - Informationen und Unterrichtshilfen für allgemeine Schulen".
Herausgeber: Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen